Gemeinde Kleinfischlingen vorbildlich für die Gewässerstrukturgüte - auch für Hochwasserschutz in der Region bis Speyer
Gewässerstrukturgüte verbessern – wo der NVS Einfluss nehmen kann
Die Verbesserung der Strukturgüte unserer stark veränderten Fließgewässer gehört zu unseren größten Wünschen und beliebtesten Zielen im ehrenamtlichen Naturschutz, weil an naturnahen Bächen wieder uralte Instinkte in uns wach werden können. Trinkbares Wasser stillte einst den Durst des Jägers. Fische versprachen Sättigung am Lagerfeuer. Jagdbares Wild kam zum Saufen ans Ufer. Ein wilder, lebendiger Bach war nicht nur Überlebensgarantie sondern auch Unterhaltung pur für Auge und Ohr.
Das Alles vermissen wir seit vielen Jahrzehnten bei zahlreichen begradigten und eingesperrten Gewässern mit ihrem ungenießbaren Inhalt derart schmerzlich, dass wir schon lange von Einflussnahme auf Ufer-, Verlaufs- und Sohlengestaltung träumen. Nun gibt es schon über 25 Jahre ein Aktionsprogramm des Landes Rheinland-Pfalz zur Wiederherstellung natürlicher oder naturnaher Gewässer landesweit. Mit Fördermitteln aus dieser Aktion Blau konnten Kommunen auf meist kürzeren Abschnitten von Bächen zum Beispiel zur Wiedergutmachung vorheriger Fehler den Erfordernissen für besseren Hochwasserschutz, höhere Wasserqualität und mehr
Artenvielfalt entgegenkommen. Mit vielen Millionen Mark und Euro wurden Umgestaltungsmaßnahmen und Geländeerwerb bezuschusst.
Aktuell stehen leider noch sehr viele Bachkilometer vor einer notwendigen Aufwertung. Nicht nur die hohen Kosten – die Kommunen tragen davon 20 Prozent selbst – verhindern die möglichen Maßnahmen. Nämlich immer noch ist die Ansicht weitverbreitet, dass das Wasser so schnell wie möglich die Gemarkung einer Kommune und ihre Nutzflächen verlassen sollte. Eine naturnahe Umgestaltung zielt hingegen ab auf verlangsamende Strukturelemente wie Schleifen mit flachen Buchten, auf Inseln und Sandbänke, auf Stillwasserzonen und auf begleitende Retentionsflächen bei Hochwasser. Hierzu wird neue Fläche benötigt ähnlich wie vor den Begradigungen. Ein solcher Erwerb wird nicht überall von den anrainenden Eigentümern und den Bewirtschaftern begrüßt. Außerdem führt in den Gemarkungen mit intensiver Landwirtschaft und mit Sonderkulturen die Angst vor Einflüssen auf die Produktionsflächen zu Widerständen. Siedlungen, Verkehrswege, auch vorhandene Entwässerungssysteme bieten Anlässe zu Bedenken. Somit nimmt man als Oberlieger weiterhin die Gefährdung der Unterlieger durch ungebremstes Hochwasser eher in Kauf als die zwar dringend notwendigen, aber störenden Eingriffe auf den eigenen kommunalen oder noch privaten Flächen. Hat man sich doch längst darauf fest eingerichtet.
Lokale Flurbereinigungen seit der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts und dann noch bis 1970 planten nicht in regionalen Zusammenhängen und schufen diese folgenschweren Verhältnisse mit dem begradigten Ausbau der Fließgewässer und den begleitenden Meliorationen feuchten Geländes. Für den Vorteil maschinengerechter Bewirtschaftung wurden entsprechend viele Parzellen zu größeren Schlägen zusammengelegt. Mittlerweile findet man des Öfteren Neubaugebiete in solchem hinzugewonnenen Gelände. Fast immer legte man Wirtschaftswege, nicht selten auch mit Asphalt- oder Betondecke, nur knapp neben die linken und rechten Uferböschungen des nun quasi kanalisierten Gewässers. Hiermit verursacht jegliche Eigendynamik sofort Schäden an der kommunalen Infrastruktur und wird bekämpft. Erosionen gelten als Gefahrenquellen. Bremsendes, aber eigentlich bereicherndes, Totholz, die wichtige Selbstbegrünung durch Rohrglanzgras, Wasserschwaden, Binsen, Sauergräser, Sumpf-Schwertlilien muss zum Zweck raschen Abflusses meist jährlich kostspielig entfernt werden. Dieser heutige kommunale Aufwand wurde durch die Entscheider und Verantwortlichen einst wohl nicht eingepreist, denn in Großväterzeiten waren hier die, damals unmittelbar, anrainenden Bewirtschafter in eigener Regie tätig. In diese Kostenfalle ist auch die häufige Pflege des Ufergehölzes einzustufen. Zwar hat man auf langen Strecken, ökologisch begründet, Bäume und Sträucher gepflanzt. Wie oft wurde jedoch mit dem Raum zur natürlichen Ausdehnung geknausert, mit der Folge der kommunalen Verpflichtung zum regelmäßigen Freischnitt des Lichtraumprofils. Und hierbei setzen sich die, immer noch bevorzugten, kostengünstigsten undifferenzierten Methoden berechtigter Kritik des Artenschutzes aus.
Nun lässt sich hier ein Weg zurück aus den alten Fehlern nicht leicht vermitteln.
Dies sollte nur beispielhaft die Problematik beleuchten, die heutige Renaturierungspläne begleitet. Die Argumente für eine Erhöhung der Selbstreinigungskraft, für eine Förderung der Grundwasserneubildung, für Erweiterungen des Retentionspotentials haben es schwer. Und was hätte der ehrenamtliche Naturschutz mit seinen langjährigen lokalen Beobachtungen, Erkenntnissen und dem Hintergrundwissen nicht alles an Ideen zu bieten! Aber allein schon die fehlende Finanzierung wasserbaulicher Maßnahmen und die Absicherung gegen eventuelle Schadensansprüche verhindert private Initiativen. Und gegen einen Grunderwerb gibt es starken Widerstand der Landwirtschaftskammer und der organisierten Landwirtschaft. So muss, ungeduldig und ohne rechtes Verständnis für die Säumigkeit in solchen drängenden Problemen, auf die Bereitschaft von Kommunen und Wasserbehörden gewartet werden.
Trotzdem leuchten Beispiele heraus aufgrund glücklicher Umstände und geschickter Einflussnahme und Maßnahmen der Naturschützer, wo die Gewässerstrukturgüte positive Entwicklungen nimmt. Und dies mit geringsten Kosten für den Steuerzahler!
Seit vielen Jahren haben sich die links und rechts anrainenden Gemeinden Hochstadt und Kleinfischlingen im Landkreis Südliche Weinstraße darauf geeinigt, den, vom Reichsarbeitsdienst 1935 kanalisierten, Kaltenbach seiner natürlichen Entwicklung zu überlassen. Herangetragenes Sediment hebt die, einst zur Entwässerung eingetiefte Bachsohle, zum Vorteil des oberflächennahen Grundwassers, immer stärker an. Mitstreiter des Naturschutzverbandes Südpfalz e.V. und seiner NVS NaturStiftung Südpfalz waren an diesen Entscheidungen und den Argumentationshilfen nicht unschuldig.
Nun hat die NVS-Stiftung hier auch noch 17 ha Sumpffläche gepachtet, wozu 1,3 Kilometer Uferzone gehören. Bis 2034 wird die Stiftung mit Mitteln der Ersatzzahlungen hier das gesamte Naturschutzgebiet und FFH-Vogelschutzgebiet Kaltenbachbruch pflegen. Im Winter 22/23 hat die Stiftung auch ein nasses Brachgrundstück von 1159 qm am Bach gekauft, wie auch weiter im Osten eine Schilffläche von über 2000 qm.
Ein weiteres Foto zeigt, wie der Kaltenbach, aus dem Weidendickicht kommend, auf eine „Schilfreinigungszone“ zufließt. Dort durchströmt er, abgebremst und angestaut, auf 100 m Länge ein Schilfdickicht, das die Stiftung seit Jahren entwickelt hat. Der Stau wiederum lässt den Wasserspiegel der Laichtümpel für Grasfrosch, Erdkröte und Laubfrosch nebenan steigen, dort, wo einst Torf zum Heizen gewonnen wurde. Stillwasserzonen im Hinterwasser von Schilfbarrieren dienen der Selbstreinigung des Bächleins. Auf anderen Abschnitten darf Hochwasser des einen oder anderen Starkregenereignisses droben in den flurbereinigten Weinbergsgewannen am Haardtrand einfach in den ökologisch sehr wertvoll gestalteten Sumpf überborden. Der erstaunlich rasche Zustrom von Niederschlägen hängt sicherlich – siehe beschriebene Fehlerquelle - mit der fördernden Gestaltung des Abflusses der Oberlieger zusammen. Der Kleinfischlinger Sumpfstreifen von 12 Hektar steht dank privater Initiative und Zustimmung der Gemeindespitze zur kostenfreien Retention in der Region bereit.
Es muss hier allen Bürgern, ob zur Wohnbevölkerung, zu Handel, Gewerbe und Industrie oder zu Landwirtschaft und Weinbau gehörend, deutlich werden, dass ehrenamtlicher Naturschutz sehr kostengünstige Lösungen realisieren kann. Am Kaltenbach ist, bei hoher Effektivität, der Steuerzahler nicht belastet. Mitten zwischen Gemüseland und intensiver Landwirtschaft wird die hier dringend benötigte Arten- und Strukturvielfalt aufgebaut und weiterentwickelt. Mit der NVS NaturStiftung und ihrem Geschäftsbereich Aktion Südpfalz-Biotope arbeiten die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Südliche Weinstraße und Germersheim und der Stadt Landau und die Struktur- und Genehmigungsbehörde Süd konstruktiv zusammen. Bei der Nutzung unserer Flächen kann zukünftig nur noch eine Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, die damit Ernährung und Ressourcen langfristig sichert. Mit ausreichend gesundem Grundwasser, mit Fruchtbarkeit erhaltendem Artenreichtum und Gefahrenabwehr bei Hochwasser ………
Ein Parallelprojekt der NVS NaturStiftung liegt in den Gemarkungen Billigheim und Rohrbach am Kaiserbach, wo viele Hektar Stiftungsfläche bei Pegelständen über Mittelwasser als wichtiger offizieller Retentionsraum für das unterliegende Klingbachsystem von Rohrbach bis Rülzheim zur Verfügung gestellt wurden. Hinzu kommt die hohe ökologische Bedeutung dieser großen Sumpfflächen für Feuchtgebietsbewohner. Flankierend im verbundenen Umfeld, somit zwischen Acker- und Weinbau, besitzt und entwickelt die Stiftung für eine hohe Artenvielfalt viele weitere ökologisch aufgewertete Grundstücke. Genau mit diesen Ökosystemdienstleistungen wird auch hier die fruchtbare Landschaft gestützt, auch den unverhandelbaren Anforderungen an nachhaltige Nutzung beispielhaft entsprechend.
Im derzeit laufenden Flurbereinigungsverfahren Horbachtal ist der NVS mit einer langen Reihe von Eigentumsflächen verfahrensbeteiligt. Die breit angelegten Initiativen mit der Möglichkeit amtlich durchgeführten Geländetauschs lassen die Realisierung einer effektiven Verbesserung der Gewässerstrukturgüte erhoffen. Auch der hier kombinierte Biotopverbund auf weiteren Stiftungsgrundstücken – von der Bundesregierung ganz aktuell wieder zum großen Ziel erklärt – wird einen wichtigen Beitrag in der Agrarlandschaft leisten können.
Eine glückliche und sehr langfristige Lösung gelingt der NVS-Stiftung und dem NVS-Ortsverein Billigheim-Ingenheim mit einem großen Anteil am Billigheimer Bruch und seinen Gewässern. Weil die 54 Hektar komplett der Gemeinde Billigheim gehören und insgesamt von der Stiftung auf dreißig Jahre gepachtet wurden, darf nun hier der durchfließende Flutgraben uneingeschränkt seine Eigendynamik entfalten. Damit kann hier ebenfalls eine Entwicklung zum Wohl der Grundwasserneubildung, des Hochwasserschutzes und der Struktur- und Artenvielfalt starten. Zur Gewässerstrukturgüte zählen ja die Auen hinzu, hier ideal repräsentiert mit Schilfflächen, nassen Senken, Mähwiesen, Weidefläche, Ackerland im Vertragsnaturschutz. Das Potential ist erfolgsversprechend - und wiederum - so mitentscheidend für die Zukunft, weil es nicht nur in einem Biotopverbund nach Westen mit dem Horbachtal und Richtung Rhein mit dem gesamten Erlenbach sondern auch ausstrahlend in die Landwirtschafts- und Weinbergsflächen hinein segensreich wirken kann.
Wenn Kommunen ihre Naturschutzinteressen mit dem fachkundigen, personalintensiven und notgedrungen auch mutigen unternehmerischen Engagement des NVS, der Stiftung und ihrer Aktion Südpfalz-Biotope vereinbaren, dann gelingen hin und wieder diese Projekte an den Fließgewässern. Ein Argument der Stiftung, um auch bei den Mitbürgern an sehr gut angelegte, finanzielle Unterstützung zu erinnern!
Der Zustand vieler Strecken mit dringendem Handlungsbedarf hingegen muss den Südpfälzern weiterhin große Sorgen bereiten.
Text und Bilder: Kurt von Nida